Nachhaltigkeit und Energiewende 25.02.2012

Einblick in die Hilfe zur Selbsthilfe

Über zwei Jahre läuft nun unsere Initiative gegen Energiearmut in Österreich. Zeit also, einmal hinter die Arbeit des Stromhilfefonds zu blicken.

Geringes Haushaltseinkommen ist in Österreich fast immer gepaart mit erhöhtem Energieverbrauch, sodass sich viele Menschen Strom und Wärme kaum mehr leisten können, geschweige denn, energiesparende Maßnahmen setzen können. Seit zwei Jahren bieten wir in einem wegweisenden Projekt mit der Caritas Betroffenen in ganz Österreich Hilfe zur Selbsthilfe an.

Vom Alltag in den Albtraum 
Herr und Frau S. lebten mit ihrer 12-jährigen Tochter in einer Eigentumswohnung, für die sie vor Jahren einen Kredit aufgenommen hatten. Regelmäßig bezahlten sie ihre monatlichen Raten. Beide hatten immer eine feste Arbeit und sich nebenbei auch einen kleinen Finanzpolster angespart. Doch von einem Tag auf den anderen verlor Frau S. ihren so sicher geglaubten Job. Die Zeiten sind schwierig, ein neuer Job ergab sich nicht. Bald war das ersparte Polster aufgebraucht. Als auch noch das Arbeitslosengeld wegfiel, eskalierte die Situation in der Familie.

Die Kredit-Rückzahlungen gingen sich nicht mehr aus. Es gab nur noch Streit, weil kein Auskommen mehr mit dem Einkommen war. Nicht nur die Eltern, auch die Tochter litt unter der Situation, sie wollte nicht mehr nach Hause, die Lehrer fragten nach. Dann wurde durch den Energielieferanten (nicht VERBUND ...) auch noch der Strom abgeschaltet. Herr S. zog aus der gemeinsamen Wohnung aus. In ihrer Verzweiflung wandte sich Frau S. an die Sozialberatung der Caritas.

Fällen wie diesen begegnet Mariella Müller jede Woche. Doch Routine mag die engagierte Caritas-Mitarbeiterin dabei nicht aufkommen lassen: "Man darf nie vergessen, dass es um Schicksale von ganzen Familien geht. Und für jede von ihnen ist das eine Extremsituation." Mariella koordiniert seit zwei Jahren den VERBUND-Stromhilfefonds der Caritas, der Menschen aus der Energiearmut helfen will. Den Fonds speist VERBUND jedes Jahr mit 1 Euro pro Kunde, im letzten Jahr mit rund 250.000 Euro. Die Caritas verwaltet diesen Fonds und bezahlt daraus Soforthilfe-Maßnahmen mit Dauerwirkung.

Soforthilfe und nachhaltige Maßnahmen
Neben finanzieller Überbrückungshilfe für die Bezahlung von Stromrechnungen (unabhängig vom Lieferanten) hilft der VERBUND-Stromhilfefonds durch professionelle Energieberatungen in den Haushalten und durch kostenlosen Tausch von Elektrogeräten wie Kühlschränken oder Waschmaschinen. Bosch-Siemens-Neff helfen dem Fonds mit hochwertigen Geräten zu günstigen Preisen. In den ersten 2 Jahren konnte rund 2.500 Menschen in knapp 1.000 Haushalten geholfen werden. Fast 90 % der Haushalte konnten ihren Energieverbrauch senken und damit Heizkosten um durchschnittlich 120 Euro und die Stromkosten um durchschnittlich 79 Euro reduzieren. Dazu besserte sich nach einem Jahr auch ihr Energiekonsumverhalten.

stromhilfefonds-beratung
Energieberater klären über die häufigsten "Energieverschwender" auf: Undichte Fenster sind hier ganz vorne dabei.

Im Fall von Frau S. wurden aus Geldern des Fonds Teile der ausständigen Stromkosten beglichen, für den Rest leistbare Raten vereinbart. Damit war die Wiedereinschaltung von Strom sichergestellt. Zugleich vereinbarte Frau S. einen Termin mit einem professionellen Energieberater. Dieser besuchte die Familie, gab einfache Tipps, wie und wo Energie eingespart werden kann, und machte sich auch ein Bild von der gesamten Energiesituation. Bei Frau S. stellte er fest, dass der Herd veraltet war und daher zu viel Strom verbrauchte. Der VERBUND-Stromhilfefonds finanzierte deshalb einen neuen Herd. Mit der Unterstützung der Schuldnerberatung konnte das Ehepaar schließlich erste Schritte in Richtung Schuldenregulierung setzen. Besonders schön: Als sich die Lebenssituation wieder stabilisiert hatte, fand auch das Ehepaar wieder zu einander.

Ein Hebel mit viel Bewegung
"In diesem Fall konnten viele Hebel in Bewegung gesetzt werden", findet Mariella. "Wichtig ist es, den akuten Druck von den Menschen zu nehmen. Der lähmt nämlich und macht handlungsunfähig. Beginnt man mal ein Problem zu bearbeiten, hat man den Kopf wieder freier, die anderen auch anzugehen." Für Mariella zeigen die Erfolge in den letzten zwei Jahren auch, wie wichtig es ist, die Thematik Energiearmut an der Wurzel anzugehen. Denn es würde schlichtweg zu kurz greifen, nur die Rechnungen zu begleichen, wenn sich an Art und Umständen des Verbrauchs nichts ändert.

An erster Stelle steht für Mariella sowie für die Caritas-Sozialberaterinnen und -berater jedoch der Wunsch, dass sich Betroffene trauen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. "Viele Menschen haben Scheu davor, in die Beratungsstelle zu kommen. Sie glauben, sie schaffen es schon irgendwie. Doch in einer kalten Wohnung ohne Strom eine Lösung zu finden, ist selten von Erfolg gekrönt."

Informationen zur Caritas Österreich sowie Kontaktdaten von Beratungsstellen in allen Bundesländern findet ihr auf der Website der Caritas.