Nachhaltigkeit und Energiewende 13.10.2012

Joost Smiers´"No Copyright": Streitschrift oder Utopie?

„No Copyright” von Joost Smiers. Streitschrift oder Utopie? - VERBUND

Das Problem drängt, weil mit dem Argument, die Rechte von Künstlern bzw. deren Vertretern schützen zu wollen, immer wieder Maßnahmen vorgeschlagen werden, die eine empfindliche Verletzung anderer Rechte darstellen. Abkommen wie ACTA oder die französischen Hadopi-Regelungen mit denen Urheber- bzw. Verwertungsrechte durchgesetzt werden sollen, hebeln menschenrechtliche Grundsätze wie den freien Zugang zu Informationen oder auch das Recht auf eine geschützte Privatsphäre aus. Die Fronten zwischen der einflussreichen Content-Industrie und den Verfechtern eines freien Internet sind verhärtet. Smiers thematisiert das in seinem Buch zwar auch, doch er betrachtet das Thema viel grundsätzlicher.

Seinen Überlegungen liegt die Erkenntnis zu Grunde, dass die menschliche Kultur per se ein Prozess der ständigen Weiterentwicklung von Ideen, Konzepten und Lösungsansätzen ist. Kein künstlerisches Werk, keine Lösung für ein Problem entsteht im luftleeren Raum. Jede Regelung, die den Austausch von Ideen einschränkt, ist somit eine Fortschrittsbremse. Ideen gewinnen erst durch ihre Verbreitung an Wert und anders als physische Güter sind sie beliebig oft reproduzierbar.

Natürlich sollten die Menschen, die ihre Zeit darauf verwenden, Ideen und Kunstwerke zu entwickeln auch dafür entlohnt werden. Smiers zufolge reichen die Mechanismen des Marktes aus, um das zu gewährleisten. Allerdings bräuchte es dafür faire Wettbewerbsbedingungen, die die Vormachtstellung großer Konzerne drastisch eindämmen. Damit wären größere Chancengleichheit und Vielfalt gewährleistet. In so genannten „Mini-Fallstudien“ argumentiert Smiers das anhand von Büchern, Musik, bildender Kunst und Design schlüssig durch. Ein rigide formuliertes und durchgesetztes Wettbewerbsrecht solle kulturelle und ökonomische Diversität bringen und das Copyright obsolet machen.

Beim Thema Film gerät das Gedankengebäude aber ins Wanken. Hier sieht sogar Smiers die Notwendigkeit von Schutzfristen, weil die teuren Produktionen an denen viele Menschen mitwirken, ohne Schutzmechanismen keine Möglichkeit bieten, die Kosten wieder einzuspielen.

Am Cover des Buches prangt der Schriftzug „Eine Streitschrift“ und als solche sollte man es auch lesen. Hier will jemand streiten, der sich intensiv mit der Materie auseinander gesetzt hat und damit seine radikale Position intellektuell untermauern kann. Noch besser wäre, wenn dort „Eine Utopie“ stünde. Was Smiers und seiner Co-Autorin Marieke van Schindel da vorschlagen, hat wenig Chancen, in absehbarer Zeit umgesetzt zu werden. Möglicherweise hilft es aber in einer heillos verfahrenen Situation, den Blick auf das Wesentliche zu lenken: auf die Bedeutung von Kunst und Kultur für gesellschaftlichen Fortschritt.

 

Joost Smiers und Marieke van Schijndel: "NO COPYRIGHT. Vom Machtkampf der Kulturkonzerne um das Urheberrecht. Eine Streitschrift." - Alexander Verlag  -  Weitere Informationen zum Buch