Smart Living und Innovationen 17.06.2014

Archäologische Funde: Das Grab unterm Windrad

Das Grab unterm Windrad - VERBUND

Jetzt ist höchste Konzentration gefordert: Behutsam gräbt sich der Bagger ins Erdreich. Er entfernt Schicht für Schicht – unter den wachsamen Augen von Andreas Konecny. Der Wiener Archäologe betreut die Bauarbeiten zum Ausbau des VERBUND-Windparks Petronell-Carnuntum II bei Bruck an der Leitha. Seine Expertise soll garantieren, dass archäologische Relikte unbeschadet geborgen werden. Plötzlich ein Rumpeln. Der Bagger stößt auf festen Stein. Wartet ein spektakulärer Fund?

Letzte Ruhe mit Stil
Das 7-köpfige Team um Konecny staunte nicht schlecht, als ihnen im Sommer 2012 das Antlitz eines Gerippes entgegen starrte. Die Überreste einer Frau aus dem 2. bis 3.  Jahrhundert wurden in einem Steinsarkophag platziert. Nun konnten sie bei der Errichtung des am geplanten Windpark vorbeiführenden Radweges freigelegt werden. Das Besondere: Bei dem Fund handelt es sich um eines der wenigen nicht geplünderten Gräber in Carnuntum. „Wir haben bei der 60-jährigen Frau mehrere Ketten und ein Armband aus Bernstein gefunden“, erklärt Konecny. „Bernstein war in der Antike ein wertvolles Material. Der Fund ergänzt ein weiteres Mosaik in unserer wissenschaftlichen Arbeit.“

Bereits im Vorfeld der Bauarbeiten zum Ausbau des Windparks war das Team auf mögliche Funde vorbereitet. „Da der Bau nur wenige hundert Meter südlich der Zivilstadt Carnuntum vorbei strich, führten wir eine durchgehende Überwachung durch“, so Konecny.  Mittels einer Analyse des Untergrundes sowie Luftaufnahmen des Gebiets markierten die Experten vorab mögliche Fundstellen in einem Maßnahmenkatalog. „Die Zusammenarbeit mit VERBUND verlief sehr professionell“, ergänzt der Privatdozent der Universität Graz. „Die Bauherren haben unserer Arbeit großes Interesse entgegengebracht und uns vorbildlich unterstützt“.

Ein schöner Mist
Damit auch wirklich alle Relikte sicher geborgen werden konnten, ließen die Archäologen die Bagger keine Sekunde aus den Augen. Zeigten sich Erdverfärbungen oder ließen Geräusche auf einen möglichen Fund schließen, stand sofort ein Grabungstrupp bereit. Neben dem Skelet legte das Team mit dieser Methode auch eine große Ansammlung von Keramik und Tierknochen aus dem 3. Jahrhundert frei. „Bei dem Fund handelt es sich um einen antiken Misthaufen“, so Konecny. „Das klingt nicht sonderlich spektakulär,  zeigt uns aber eine kaum dokumentierte Zwischenstation entlang des Wegs der Abfallentsorgung in der römischen Antike.“ Im Anschluss der Grabungen wurden alle Artefakte dokumentiert und an das Kulturfabrik Hainburg im Depot des Landes Niederösterreich abgegeben. Interessierten unter euch stehen dort einzelne Stücke zur Besichtigung offen.

17Archaeologische FundeKeramikxxx

Scherben bringen Glück: Der antike Müllberg entpuppt sich als wahre Fundgrube für Keramiken. Die Gefäße wurden auch für durchschnittliche Menschen durch den unbegrenzten Vorrat an Ton hergestellt.

17Archaeologische FundeTierknochenVERBUND

Die gefundenen Tierknochen ermöglichen Rückschlüsse auf die Ernährung in der Antike. Aber auch auf handwerkliche und andere wirtschaftliche Gepflogenheiten.

Wer jedoch denkt, Carnuntum müsse nun doch langsam erschöpft sein, hat sich geschnitten. „Das Militärlager und die angrenzende Zivilstadt beherbergten in ihrer Blütezeit bis zu 50.000 Einwohner auf einem Areal von rund 5 km²“, sagt Konecny.  Die im 2. Jahrhundert zum Sitz des Stadthalters der Provinz Oberpannonien ausgerufene Stadt bot dazu nicht nur Schutz vor germanischen Stämmen: Sie lag auch an der Bernsteinstraße, einer Handelsroute auf der unter anderem Bernstein von Norden in den Mittelmeerraum gelangte. Mit diesen Voraussetzungen ist sich Konecny sicher, dass er bald dem nächsten Bagger die Schaufel halten darf. „Carnuntum wird uns noch in 800 Jahren nicht alle seine Geheimnisse preisgegeben haben“, sagt er. Es warten somit noch jede Menge Schätze auf uns.

Tipp: Ihr wollt der antiken Stadt Carnuntum einen Besuch abstatten? Auf www.carnuntum.co.at findet ihr alle Informationen dazu.