Natur und Regionen 29.06.2012

Danube Day: Forschungsturbine in Nußdorf

Wird mit diesem Turbinen-Prototyp, 99 Jahre nach Viktor Kaplan, eine neue Ära der Turbinentechnologie eingeläutet?

Das Kleinwasserkraftwerk Nußdorf (ein Gemeinschaftsprojekt der Donau-Anrainer EVN, Wien Energie und VERBUND) führte jahrelang ein beschauliches Dasein. Unter der malerischen Jugendstil-Fassade, bewacht von zwei mächtigen Löwen aus Bronze, werkten 12 Turbinen beschaulich vor sich hin. 
Nach der Errichtung des Kraftwerks wurde die Wehrbetriebsordnung geändert: zu Gunsten der Schifffahrt am Donaukanal musste mehr Wasser als vorgesehen durchgeleitet werden. Damit stieg der Wasserspiegel unterhalb des Kraftwerks, die Fallhöhe sank ab und somit wurde die Energieausbeute geringer. 
Vielleicht hat dies aber in Zukunft ein Ende, nämlich dann, wenn „StreamDiver“ kommt.
Einen besseren Tag hätten sich die Techniker nicht aussuchen können: pünktlich zum Internationalen Tag der Donau am 29. Juni werden neue Wege beschritten.

„StreamDiver“ wird  wie ein Kuckucksei ins Nußdorfer Nest gesetzt. Denn eigentlich arbeiten in Nußdorf 12 Matrix-Turbinen. Eine davon musste aber für „StreamDiver“ Platz machen und liegt nun beim Kraftwerk Freudenau auf dem Trockenen.


Die Kössler-Crew begutachtet den Schacht, in dem die Forschungsturbine Platz finden soll.

Eine neue Ära der Turbinentechnologie?

„StreamDiver“ ist eine österreichische Turbinenentwicklung von Kössler GmbH aus St. Pölten. Projektpartner sind die am Gemeinschaftskraftwerk Nußdorf beteiligten Unternehmen EVN und Wienstrom. Unterstützung für das Forschungsprojekt kam vom Forschungs-Förderungsfonds.

Die Technologie ist inspiriert von Gezeitenkraftwerken: wenig Wasser und geringes Gefälle können mit der Kompaktturbine immer noch wirtschaftlich genutzt werden.
Zudem ist die Turbine umweltfreundlich: statt Schmieröl sorgt das Flusswasser für reibungsfreie Drehung. Außerdem wurde auf komplizierte Verstell-Einrichtungen verzichtet, weswegen die Anlage vergleichsweise einfach zu warten ist. Wird hier eine, 99 Jahre nach Viktor Kaplan, eine neue Ära der Turbinentechnologie eingeläutet? Wir dürfen gespannt sein, wie sich die Turbine neben ihren etwas älteren Schwestern anderer Bauart in Nußdorf bewähren wird.

Trotz intensiver Vorbereitung ist Projektleiter Stephan Benda nicht ganz unentspannt, als die Turbine in Nußdorf vom LKW an den schweren Autokran gehängt wird (Die Erleichterung wird er erst in etwa zwei Stunden verspüren, als das Einheben reibungslos abgeschlossen sein wird).

Ganz anders sieht das Helmut Widder, der Kranführer. Mit unbewegter Miene steuert er die Maschine vom LKW in den Schacht des Turbinengehäuses. Obwohl es allmählich an der Donaulände warm geworden ist (ca. 30 Grad im Schatten), sucht man auf seiner entspannten Stirn vergeblich eine Schweißperle. Der Fachmann hat sein Gerät im Griff, ob es nun der Antrieb eines Eisbrechers ist (siehe Blog-Beitrag über Eisbrecher) oder ein 40-Tonnen-Autokran.
Heikel ist nur, dass Widder nicht sehen kann, wohin er den Prototyp, in dem 1,2 Mio. Euro Forschungsinvestition stecken, steuert. Hier funktioniert das Zusammenspiel zwischen Kranführer und Kössler-Mannschaft: der Einweiser und seine Kollegen heben den Prototyp zentimetergenau in den Schacht. Die Spezialisten von VERBUND und Kössler brauchen über eine Stunde, das kompakte, aber immer noch 7 Tonnen schwere Teil in den engen Schacht zu hieven.  

Jetzt muss „StreamDiver“ zeigen, ob die Erwartungen auch nicht zu hoch gegriffen waren. Ein Jahr soll der Testbetrieb dauern.