Österreichisches Kleinkraftwerk des VERBUND gilt als Weltneuheit

09.03.2000Wien

„Das weltweit erste Schleusenkraftwerk, im Wiener Donaukraftwerk Freudenau installiert, ist erfolgreich angelaufen. Mit diesem VERBUND-Forschungsprojekt eröffnen sich weltweit neue Chancen für die Stromerzeugung aus Wasserkraft“, erklärte Dipl.-Ing. Dr. Herbert Schröfelbauer, stellvertretender Sprecher des VERBUND-Vorstandes, heute, Donnerstag, bei einer Pressekonferenz in Wien.

Das EU-geförderte Pilotprojekt des VERBUND, Österreichs größten Stromerzeugers, arbeitet – so Schröfelbauer, im VERBUND u.a. für Technik, Umwelt und Forschung zuständig – mit einer vielversprechenden österreichischen Innovation, die in Zusammenarbeit mit VA TECH VOEST MCE, dem Linzer Generatorenbauer HITZINGER und dem französischen Partner VA TECH BOUVIER HYDRO entwickelt und gebaut wurde: der Matrix-Turbine.

Neu an der 200 Kilowatt starken Kleinturbine in Größe einer Telefonzelle ist, daß sie beidseitig durchströmbar ist und dabei Strom erzeugt. Ein weiterer Vorteil dieser neuen „rot-weiß-roten“ Kaplanturbine liegt darin, daß sie in beliebiger Stückzahl in einer Matrix angeordnet werden kann. Daher können gleichsam im Baukasten-System auf einfache Weise Kleinwasserkraftwerke errichtet werden.

Beim Schleusenkraftwerk in der Freudenau sind 25 Turbinen in einer Matrix von 5 mal 5 Stück angeordnet. Dieser Maschinenblock war vor einem halben Jahr in einer der beiden Schleusenkammern des Donaukraftwerks Freudenau installiert und in der Folge umfangreichen Tests unterzogen worden.

Das Kleinkraftwerk kann jährlich 3,7 Millionen Kilowattstunden umweltfreundlichen Strom erzeugen – genug, um 1.200 Haushalte zu versorgen. Wasser gibt es dafür genug: Am Kraftwerk Freudenau finden pro Jahr mehr als 6.000 Schleusungen statt.

Das Pilotprojekt kostete rund 48 Millionen Schilling (3,5 Mio. EUR). Davon entfielen allein 16 Mio. ATS (1,2 Mio. EUR) auf Entwicklungskosten. Die Europäische Union fördert das Gesamtprojekt mit elf Millionen Schilling (800.000 EUR).

„Die Matrix-Turbine ermöglicht große Chancen für den Export unseres Know-hows sowie für neue, umweltfreundliche Techniken der Stromerzeugung“, so Schröfelbauer. „Das Projekt Matrix-Turbine bietet Chancen sowohl in Österreich für die Erzeugungsgesellschaft VERBUND-Austrian Hydro Power AG als auch für unsere international tätige Planungstochter Verbundplan.“

„Einen kräftigen Umsetzungsschub für diese Technologie in Europa erwarten wir von der Richtlinie der Europäischen Kommission für Erneuerbare Energie“, meint Schröfelbauer. Der Anteil der erneuerbaren Wasserkraft soll zukünftig in der EU kräftig erhöht werden. Die Matrix-Turbine ist für neue Projekte in Bereich der Kleinanlagen ideal.

„Das Produkt Matrix-Turbine zieht seinen Hauptnutzen daraus, daß die kompakte Einheit in bestehenden Strukturen, wie Schleusenanlagen, Wehranlagen zur Gewässerregulierung, Bewässerungskanälen und Einlaufbauwerken von Trinkwasserreservoirs, eingesetzt werden kann“, führte Dipl.-Ing. Wolfgang Semper, projektverantwortlicher Spartenleiter der VA TECH VOEST MCE, aus.

Damit reduzieren sich die Investitionskosten im wesentlichen auf die elektro-mechanische Ausrüstung, Energieableitung sowie relativ kleine bauliche Maßnahmen. Ein weiterer Vorteil dieser Technologie zur 100 % umweltfreundlichen Energieerzeugung liegt darin, daß die bestehende Gewässercharakteristik in keinster Weise beeinflußt wird.

Die Hauptmärkte liegen am nordamerikanischen Kontinent, wo auf den großen Flüssen Schleusenanlagen zur Hochwasserregulierung existieren, die nun mit Hilfe der Matrix-Technologie ohne große bauliche Veränderungen zur Energie-Erzeugung wirtschaftlich adaptiert werden können.

Der Matrix-Turbine eröffnet sich, wie VERBUND-Projektleiter Dipl.-Ing. Gerhard Wedam erklärte, auch in Europa ein weites Anwendungsgebiet. Denn es gibt hunderte Schiffsschleusen, wie etwa an Rhein, Rhône und Maas, die künftig auch der Stromerzeugung dienen könnten. Dazu kommen weitere Donaukraftwerke oder Binnenwasserstraßen.

In den neun vom VERBUND betriebenen Donaukraftwerken wären laut Wedam mit Schleusenturbinen fast 50 Gigawattstunden sauberer Strom pro Jahr zu gewinnen – genug, um eine Kleinstadt mit 15.000 Einwohnern zu versorgen.